Annemarie Bauer, Marlies W. Fröse, Jörg Seigies (Hg.)
Systeme psychoanalytisch verstehen in Beratung, Coaching und Supervision
Buchreihe: Therapie & Beratung
Verlag: Psychosozial-Verlag
715 Seiten, 79,90€
1. Aufl. 2023
ISBN-13: 978-3-8379-3177-8
Mit Beiträgen von Florian Barth, Annemarie Bauer, Heike Baum, Tanja Becker, Rafael Behr, Ruth Belzner, Christoph Bevier, Ruth Bornhofen-Wentzel, Ben Christian, Elisabeth Christian, Karin Deppe, Marlies W. Fröse, Anna-Maria Generotzky, Friedrich Glasl, Katharina Gröning, Christine Jandausch, Sonja Keil, Manfred Kets de Vries, Fabian Kliesch, Alexa Köhler-Offierski, Corinna Koopten-Bohlemann, Uwe Kowalzik, Käthe Kruse, Stefan Kühl, Wendelin Küpers, Franziska Lamott, Ulf Liedke, Elke Müller, Gabriele Pradel, Manfred Prisching, Karl Richstein, Anja Sauerer, Dieter Sandner, Jörg Seigies, Hans-Jörg Stets, Gerhard Wilke, Michael Winkler
Was wird denn da so alles unter den Teppich gekehrt? Diese Frage drängt beim Betrachten des Covers (Bansky) des Buches auf. Und genau darum geht es auch. Was an Verborgenem, Ungesagtem und Ungesehenem verkappt sich in unserer Arbeitswelt der Organisationen und Institutionen. 715 Seiten werden wir durch den Dschungel des Unartikulierten in die unterschiedlichsten Bereiche unseres Daseins geführt.
Es geht um Heime (»Wüstenmutter« Hagar. Traumatisierte Kinder und Mädchen in Heimen und Wege aus der »Wüste« Anja Sauerer & Annemarie Bauer), Justiz und Schulen (Change-Management am Beispiel der Sozialen Dienste der Justiz, Einblicke in Veränderungsprozesse Corinna Koopten-Bohlemann, Einblicke in das Unbewusste einer Organisationskultur. Die Schule als Ort verborgener Scham, stummer Scham, tabuisierter Scham? Karin Deppe), Altenheime und Frühpädagogik, Kliniken, Hochschulen und öffentliche Verwaltungen.
Zu den, in Kapiteln zusammengefassten Bereichen von untersuchten Strukturen, geben die Herausgeberinnen eine Hinführung. Sie unterscheiden organisationale Dynamiken in konfessionsgebundenen Einrichtungen, in totalen, totalitären und autoritären Organisationen, in Bezug auf Körper, Gesundheit und Sterben, im Kontext von Vielfalt, Verschiedenheit und Kulturen.
Es geht dabei nicht nur um Aufdeckung verborgener Organisationsstrukturen, sondern auch um „konkrete Möglichkeiten des konstruktiven Umgangs mit eben diesen Dynamiken.“ (S.119)
Der Ruf nach Eindeutigkeit ist in öffentlichen Institutionen verbreitet, dem kann aber oft nicht entsprochen werden, da es darum geht, komplexe und zum Teil widersprüchliche Erwartungen zu erfüllen. Eindeutigkeit „kann sogar `gefährlich`werden.“ (S.121) Das Zulassen von Mehrdeutigkeit und das Aufbringen von Abiguitätstoleranz, das Aushalten von Widersprüchen wird eingefordert als Gegenteil zu der unter den Teppich-kehr Mentalität.
Im Hamburger Abendblatt vom Nov. 2023 fordert Hajo Schumacher in politischer Hinsicht: „Unser Verstand hasst Unordnung. Das alte Reptilienhirn will Klarheit: Wer ist Freund, wer ist Feind. Diese Information war in der Steinzeit überlebenswichtig. Unsere zuverlässig unordentliche Welt aber verlangt Ambiguitätstoleranz.“
Die Fülle der bearbeiteten Themen macht das Buch interessant und zu einem Nachschlagwerk. Ein Handbuch für Führende, die, die es werden wollen und Mitarbeitenden in den einschlägigen Organisationen.
Dr. Heiderose Gärtner-Schultz
www.gaertner-schultz.de