Johanna Eleonora Petersen


Zu den prominentesten Schriftstellerinnen des frühen Pietismus gehört Johanna Eleonora Petersen (1644-1725). Sie erlebte und erlitt, was vielen Schriftstellern begegnete, Zustimmung und heftige Kritik sowie Ablehnung. Sie war befreundet mit den führenden Vertretern des Pietismus Philipp Jakob Spener und August Hermann Francke. Wie die beiden war  auch sie auf der Suche nach religiösen Ausdrucksformen für ihre Zeit. Aber im Unterschied zu ihnen entwickelte sie einen  ganz eigenen Weg pietistischer Frömmigkeit. Über sie zu berichten ist in besonderer Weise möglich, da sie eine Autobiographie geschrieben hat, so dass Erfahrungen aus erster Hand lebendig werden können. In der Nähe von Frankfurt aufgewachsen, in lutherischem Glauben erzogen, kam sie, wie das für Töchter, die aus einem verarmten niedrigen Adel stammten, üblich war, schon mit 12 Jahren zu einem Herzoghof in der Nähe von Frankfurt. Dort  sollte sie das höfische Leben kennenlernen. Von 1664 an diente sie in Sachsen, auf Schloss Wiesenburg in der Nähe von Zwickau, als Hof- und Kammerjungfrau.  Etwas über zehn Jahre verbrachte sie dort und freundete sich mit einer der Töchter der Herzogfamilie, Sophie Elisabeth, an. Mit ihr entwickelte sich nach dem Weggang von Johanna Eleonora eine intensive Korrespondenz. Sie fiel dort, obwohl Schloss Wiesenburg einen eigenen lutherischen Geistlichen hatte und in guter kirchlicher Tradition geführt wurde,  durch ihre Frömmigkeit auf. Die Schlossbewohner blieben nicht unberührt  von ihrer spirituellen Ausstrahlung. Sie zog diese in ihren Bann, so dass ihre Frömmigkeit auf die anderen übersprang. Einige entwickelten die Angst, nicht genug zu glauben.  Dies wird im späteren Schriftverkehr zwischen Herzogin Sophie Elisabeth  und Johanna Eleonora deutlich. Sophie fragte um Rat, weil sie gern so intensiv wie Johanna glauben und leben wolle. Sie bat um ihre Hilfe.  Johanna nahm ihre Zweifel in den Briefen ernst, ermutigte in seelsorglicher Weise Sophie Elisabeth aber auf ihre Form der Frömmigkeit zu schauen und diese als in Ordnung anzusehen und weiter zu pflegen, damit diese aufblühen könne. Ihre eigene Art des Glaubens begriff Johanna als etwas, das sich aus vielen Elementen der Begegnungen und Erfahrung, aber vor allem der kontinuierlichen Bibellese entwickelt hatte und weiter wuchs.


Knapp zehn Jahre am Herzoghof Wiesenburg prägten Johanna und die, für die sie arbeitete. Ihre christliche-pietistische Lebensführung, die zuerst am Hof kritisch beäugt wurde, fand zunehmend Anerkennung und Zustimmung. Sie sah sich selbst vor allem in den letzten drei Jahren im Schloss als Mutter vieler, als Seelenführerin, die ihre Mitmenschen begleiten, erreichen und überzeugen wollte.  Durch den Kontakt zu und die Hilfe von Philipp Jacob Spener und Johann Jakob Schütz gelang es ihr, in der freien Reichstadt Frankfurt am Main eine Wohn- und Lebensmöglichkeit zu finden. 1675 siedelte sie um. Spener hatte vermittelt, so dass Johanna bei einer wenige Jahre älteren Witwe wohnen konnte. Er wusste, dass diese Trost, Beistand und geistliche Begleitung brauchte, die Johanna ihr zukommen ließ. 1675 veröffentlichte Spener eine religiöse Reformschrift, die Pia desideria", die schon bald auch außerhalb Frankfurts große Resonanz fand und zur Ausbreitung pietistischer Gesinnung beitrug. Schon bald führten diese Zusammenkünfte zu separatistischen Bestrebungen innerhalb der lutherischen Kirchen. Die Spenerschen Reformen gingen vielen nicht weit genug. Während er  die Kirche von innen reformieren wollte, hielten die Separatisten die Kirche für reformunfähig. In Frankfurt versammelten sich die Separatisten im Saalhof um Johanna und die Witwe Juliane Baur von Eysseneck, bei er sie wohnte. Diese hatte durch religiöse Visionen öffentliche Aufmerksamkeit geweckt. Seit Advent 1676 unterhielten die Saalhof-Pietisten kaum noch Beziehungen zur Frankfurter lutherischen Kirche. Johannas Rolle in diesem Kreis war herausragend, die entstandenen Unruhen ließen den Stadtrat gegenüber Johanna einen Ausweisungsbefehl aussprechen, der aber wieder zurückgenommen wurde. 1680 heiratete Johanna den lutherischen Superintendenten Johann Wilhelm Petersen und ging mit ihm als Pfarrfrau nach Eutin. Dort war sie in erster Linie Vertraute und Beraterin ihres Mannes, der sie als seine Seelenführerin verstand. Der Ruf nach Lüneburg wurde beiden zum Verhängnis, ihre radikal pietistischen Ansichten führten zu seiner Amtsenthebung, danach lebten sie als freie Schriftsteller in Magdeburg. Theologisch fundiert war Johanna für viele zur kompetenten Seelenführerin geworden. Der radikale Pietismus, dem sie sich verschrieben hatte, bescherte ihr im Rahmen der kirchlichen Strukturen viel Ärger.


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