Altern (27)

Altern kann heute von vielen gestaltet und herausfordernd gelebt werden. Was braucht man dazu? Mit sieben Tugenden sollen sich die Möglichkeiten des Lebens im Alter auftun, beschrieben werde sie auch im Blick auf die Verfehlung, also: Zwischen Versöhnung und Verzweiflung,  zwischen Annahme und Auflehnung, zwischen Weisheit und Besserwisserei, zwischen Gelassenheit und Gleichgültigkeit, zwischen Liebesfähigkeit und Hartherzigkeit, zwischen Verantwortung und Verweigerung.

Nun will der Spagat zwischen Versöhnung und Verzweiflung gewagt werden. Jeder Mensch hat die Chance mit allem, was ihm im Leben begegnet so umzugehen, wie er es für richtig hält. Der eine verzweifelt an einem Schicksalsschlag, heute wird von posttraumatischer Verbitterungsstörung gesprochen- welch‘ Wortungetüm-, der andere nimmt hin, was das Leben gibt und versöhnt sich mit den Gegebenheiten. Es wird von Resillenz, Widerstandkraft gesprochen. Warum Menschen auf Schicksalsschläge unterschiedlich reagieren, wird untersucht, viele Faktoren spielen eine Rolle, wie genetische Veranlagung, soziologische Prägung, Bildung etc.

Leben ist nicht dadurch gelungen und befriedigend, weil Wünsche und Ansprüche, die an das Leben gestellt werden, erfüllt werden. Millionäre oder Lottogewinner sind nicht automatisch glücklich.

Das Lebensthema für jeden Menschen heißt sich mit den Gegebenheiten des eigenen Lebens zu versöhnen, mit dem was einem in die Wiege gelegt wurde und mit dem, was das Leben einem verweigert hat. Positiv formuliert heißt das: mit dem zufrieden sein, was man hat.

Eine 70 jährige unverheiratete Krankenschwester in Pension verriet mir eines Tages, dass ihr Leben, so wie es  verlief, nicht von ihr geplant war. Sie wollte eine Familie und Kinder haben. Allerdings war sie das einzige Kind einer Kriegswitwe, die über lange Zeit pflegebedürftig war. Sie hatte große Ansprüche an die Tochter und nahm ihre gesamte Freizeit in Anspruch. „Damals“, so schilderte sie, „musste ich eine Entscheidung treffen, entweder meiner Mutter mitteilen, dass ich mein eigenes Leben leben will. Das hätte für sie bedeutet, dass sie in einem Altenheim leben müsste oder dass ich auf meine eigenen Pläne verzichte würde“. Sie entschloss sich zum Verzicht auf ihre Wünsche. „Das war nicht einfach, diese Entscheidung durchzutragen, immer wieder zu bejahen und anzunehmen“ verriet sie mir. „Aber heute stehe ich zu meinem Entschluss von damals, mein Leben heute ist das einer alleinstehenden Krankenschwester in Pension. Ich habe vielleicht mehr Zeit als andere und die werde ich anderen Menschen schenken, die einsam sind. Damit heile ich auch meine Einsamkeit.“ Eine lebenskluge Frau, die sich bewusst mit dem arrangiert hat, was das Leben ihr bot. Wo bei es, wie auch bei dieser Frau immer mehrere Optionen gibt, entscheidend ist sich innerhalb der Gegebenheiten bewusst zu entscheiden, so wie sie es tat.


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