Altern (24)

Sehr unterschiedliche Lebensentwürfe erlebte Hannelore Frank bei ihren Großvätern. Sie erzählt davon, wie ihre beiden Großväter mit dem Leben umgingen. Der eine hatte sich vorgenommen, 90 Jahre alt zu werden, er lebte gesundheitsbewusst, trank nicht, ging spazieren, um dieses Ziel zu erreichen, und er wurde sehr alt. Der andere war ein Managertyp, rastlos und erfolgreich. Später einmal wollte er sich Muße gönnen, wenn die Firma alleine laufen würde. Der erste Großvater erreichte sein Ziel und  wurde fast 90 Jahre alt. Der Krieg trennte ihn von Kinder und Enkeln, seine Frau starb, die Freunde von einst waren tot, und so starb alleine und unbemerkt. Er hatte sich, schreibt Hannelore Frank, gleichsam selbst überlebt, sein Leben war lange zuvor schon erfüllt und abgerundet gewesen, aber da war es noch längst nicht zu Ende. Das einst so ersehnte und unter Opfern angestrebte Altwerden war nun zwar erreicht, aber es war zu einer unerträglichen Last geworden. Der andere Großvater starb recht plötzlich, ohne seinen Ruhestand genießen zu können. Ein arbeitsreiches Leben? Ganz bestimmt! Auch ein erfülltes?

Der eine möchte seine Lebensgrenze durch seine eigene "Gesundheitsleistung" erweitern, der andere hält den Inhalt seines Lebens für seine "Arbeitsleistung". Das Gleichnis von reichen Kornbauer" (Lk 12, 16-21) kommt in den Sinn.  Das Leben lässt sich weder auf die eine noch auf die andere Weise „erleisten“. Es ist Geschenk.

Das Leben. ist einzigartig und wertvoll, weil es begrenzt ist. Lebensjahre gibt es nur in limitierter Auflage. Der verantwortliche Umgang mit dem Leben steigt, ebenso wie die Dankbarkeit für jeden Augenblick. Gerade das Annehmen der zeitlichen Begrenztheit gibt dem Alter sein spezifisches Lebensgefühl und seine Möglichkeiten. Ein positiver Umgang mit der Begrenzung ist, wenn es nicht nur um "ein Hinnehmen und das Beste daraus machen" geht. Sondern, wenn der  Menschen sich um Verwirklichung  der, in der Person von Gott angelegten Möglichkeiten, bemüht.

Den Tod, der das einzigartige Leben beendet, kann man als Vollendung verstehen. Er ist das I-Tüpfelchen auf dem I, ist das, was fehlt, damit etwas vollständig ist.   


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