Altern (13)

Beschrieben wird im Psalm 71 die Begleitung des Menschen durch Gott von Jugend an. Diese Erkenntnis führt zu tiefer Dankbarkeit des Menschen, der inzwischen alt geworden ist. Das Psalmgebet mündet dann in :“Lass mich jetzt nicht fallen, wo ich alt bin.“

Der altgewordene Beter kokettiert damit, dass seine Gegner meinen, weil er alt sei, sei er von Gott verlassen. Er will, dass das nicht stimmt. Er fordert Gott auf, dies nicht geschehen zu lassen. Ich will ein Verhältnis zu dir, Gott, sagt er, ich will dir treu bleiben, dich loben. Er fängt an mit Gott zu handeln: „Gott zeig` allen, dass du bei mir bist, du zu mir hältst, ich werde dich dafür preisen und loben bei Kindern und Enkelkindern.“

Ähnlich wie der alte Betende verhandeln Kinder im Gebet mit Gott. Auch Menschen, die schwer erkrankt sind, oder Menschen, die einen anderen verloren haben und trauern, neigen dazu, mit Gott zu handeln. Nach dem Motto, wenn du mir gibst, was ich will, dann werde ich auch alles tun und daran setzen, dass du, Gott, Ansehen bekommst – Dieser Handel, dieser Paktversuch mit Gott ist zutiefst menschlich!

Drastisch wird im vom Psalmbeter darum gebeten, dass es den „Feinden“, welche auch immer es sein mögen, nicht gut gehen soll – der Deal, den er vorschlägt, lautet – ich berichte von den großen Taten Gottes, wenn du mich nicht im Stich lässt.

Die von der modernen Psychologie erforschten Phasen, die ein Mensch bei Veränderungsprozessen oder Trauer durchläuft, entsprechen den Phasen, die der Beter im Psalm durchwandert. Es wird von der Phase des Nicht-wahrhaben Wollens, vom Verhandeln, und schließlich vom Annehmen gesprochen. Der Beter des Psalms kommt zur Annahme seines alt-werdenden Lebens. 

Das Ende vom Lied: der Betende stimmt ein immenses Loblied auf Gott an. Was ist passiert? In diesem Gebet hatten Unsicherheit, Angst, Zorn ihren Platz. Diese Gefühle konnten ausgesprochen und losgelassen werden. Das Gebet hatte reinigende Wirkung auf das Gemüt, es wirkte kathartisch: Die Dankbarkeit für alles, die Klage, die drastisch ist, dann die Bitte um Besserung der Situation, all’ das führt zur Erkenntnis, dass das Einzige, was Sinn macht, die Annahme dessen ist, was Gott schickt.


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